Close

Letzter Newsletter


Dezember ’24


Das Verfassen dieses letzten Newsletters erfüllt mich mit einer gewissen Wehmut. 30 Jahre, in etwa so lange mache ich Musik als meine ganz persönliche Kunstform. Mein Lebensweg ist schon ziemlich verrückt, meine Herangehensweise an die Sache eine sehr individuelle und die Umstände wechselhaft, wenn man sich mit und in der Musik verwirklichen und zeitgleich auch davon leben will. Abgesehen davon ändert sich um uns herum sowieso ständig alles, im Kleinen wie im Großen. Veränderung ist quasi das Einzige, was sich nicht verändert. Das ist weder gut noch schlecht, das ist einfach die Natur der Dinge. Manchmal scheint sich Wichtiges ganz abrupt zu ändern. Das passiert, wie man aktuell am global politischen, aber auch am sprichwörtlichen Klima, durch große, teils tragische oder seltener auch hoffnungsvoll stimmende Ereignisse sehen kann. Eigentlich sind solchen Geschehnissen mit Magnitude schon lange viele kleine Schritte vorausgegangen, die zu ihnen hinführen und sie vorbereiten. Es erscheint uns nur so plötzlich.
So geht es mir auch in meinem persönlichen Leben. Seit geraumer Zeit bemerke ich, dass mir das Spielen des Didgeridoos trotz vermehrten Übens latent körperlich immer schwerer fällt, aber vor etwa zwei Monaten ging plötzlich nichts mehr.
Mein jahrelanges Spiel als beruflicher Straßenmusiker, teils mit 8 Stunden Spiel pro Tag, Sommers wie Winters, hatten mir nicht nur die Möglichkeit gegeben von meiner Musik zu leben, sondern mich auch technisch Schritt für Schritt zu verbessern. Und man lernt beim Musizieren auf der Straße einfach eine Menge über das Wesen der Musik und der Menschen. Ich habe mir über die Jahre ein großes Wissen und auch ein gewisses Können rund um Instrumente, Selbstmanagement, Booking, Tourplanung, Produktion, Studio- und Live-Technik, Graphik sowie die rechtlichen Aspekte der Musik um Label- und Verlagsarbeit angeeignet. Ich bin weltweit aufgetreten, durfte mit unfassbar talentierten Musikern und in teils wahnwitzigen und außergewöhnlichen Locations spielen, hatte meine kurze Berührung mit dem Big Business, habe über tausend Auftritte gespielt, über 20.000 Tonträger in Eigenregie verkauft und viele, viele Menschen glücklich gemacht und zum Tanzen gebracht. Die Erfahrungen und Geschichten, die damit verknüpft sind, würden locker ein Buch füllen und reichen von den absurdesten Skurilitäten bis hin zu unfassbar magischen Momenten. Musik, und speziell das Didgeridoo, waren meine fliegender Teppich und mein Sesam öffne dich.
Gerne hätte ich so weitergemacht, aber mein Körper macht schlicht und ergreifend zu. Eine erste Prognose deutet auf eine Fokale Dystoni hin, eine neuronale Krankheit, die sehr häufig professionelle Musiker erwischt und seit 2017 eine anerkannte Berufskrankheit ist. Da anscheinend große Teile meines Körpers davon betroffen sind, stehen die Chancen auf kurzfristige oder auch langfristige Verbesserung eher schlecht. Aber man wird sehen. Auch wenn es mir gelingt, überraschend gefasst mit dem Ganzen umzugehen, ist die Situation an sich gerade natürlich alles andere als einfach, denn dass Didgeridoo ist ja das Zentrum meines musikalischen Lebens und das Aushängeschild der von mir gemachten Musik.
Ich bin unfassbar dankbar für die vergangenen 30 Jahre und die fantastisch schönen und intensiven Momente, sowie die damit verbundenen wertvollen Erfahrungen. Ebenso dankbar bin ich meiner Partnerin und meiner Familie, die mich immer nur unterstützt und mir geholfen hat. Gerade die zweite Phase meiner Selbständigkeit als Musiker wäre ohne die richtige Partnerin an meiner Seite nicht machbar gewesen. Mein Dank geht aber auch an die zahlreichen Musiker, mit denen ich auf der Bühne stehen oder auf der Strasse sitzen durfte, vor allem die, die über 20 Jahre Teil der Analogue Birds waren. Es gab neben den teilweise jahrzehntelang treuen Veranstaltern auch euch, liebe Unterstützer und Fans, die ihr meine Existenz als Musiker lebenswert gemacht habt. Mein besonderer musikalischer Dank geht an Klaus von Wrochem aka Klaus der Geiger, einen großen und aussergewöhnlichen Geist und Musiker, mit dem mich nun seit 27 Jahre eine musikalische Freund- und Partnerschaft verbindet, so wie an David Bruhn, mit dem die Analogue Birds noch eine zuversichtlich stimmende Zukunft gehabt hätten und der in den letzten 10 Jahren ein kreativer und zuverlässiger Partner für mich war. Das war ein sehr friedliches Miteinander von Feuer und Wasser, das bis heute von einem tiefen gegenseitigen Respekt vor den Fähigkeiten des Gegenübers geprägt ist.
Bleiben nur noch zwei Bitten an euch, langjährige Freunde, Bekannte und Follower:
In meinem Lager habe ich immer noch zahlreiche tolle Tonträger der Analogue Birds und auch einen von Klaus der Geiger und Ruki Werch, die ich ohne Livekonzerte nicht abverkaufen kann. Natürlich brauche ich jetzt in erster Linie mal Geld um diese Übergangsphase zu überstehen. Ich stelle von daher also ein Paket zusammen, mit dem ihr die Möglichkeit habt vier CDs und optional eine Schalplatte zu erwerben. Der Preis beträgt 30 Euro, mit der Schallplatte 45 Euro + Porto und Verpackung. Natürlich dürft ihr gerne mehr geben, es wird dringend benötigt. Für eine Bestellung schreibt ihr mir am besten über info@umlaut.de

Die andere Bitte: Die verbleibenden Aspekte meiner musikalischen Selbständigkeit werden wohl ohne Veränderung kaum ausreichen um meinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Hinsichtlich der Ursachen für meine körperlichen Beschwerden bemühe ich mich natürlich täglich um Klärung.
Trotz meiner erfolgten Schritte in Richtung einer anderen Erwerbs-Tätigkeit, würde ich herzensgern versuchen als Musiker (E-Bass, Recording, Percussion etc.) weiterarbeiten und habe vielleicht für das ein oder andere Bandprojekt eine Menge zu bieten. Wenn ihr eine Idee habt, auch außerhalb der Musik, ihr Interesse habt, wenn ihr was wisst oder jemanden kennt: Just let me know.
Im nächsten Jahr werde ich hoffentlich noch ein paar Auftritte mit Klaus der Geiger absolvieren, dort allerdings nur in die Bass-Saiten greifen und etwas Maultrommel spielen. Aber der Mann ist ja nunmal auch schon fast 85. Alles in allem scheint es kurz- und mittelfristig jedenfalls unmöglich zu sein so weiterzumachen wie bisher.

Der Tom

Zwischenstand: Ein MRT hat gezeigt, dass nichts drastisches oder lebensgefährliches (Demenz, Parkinso, Tumor) in meinem Hirn vorgeht.
Meine Lunge an sich scheint zumindest auch gesund. Mir wurde vom Pulmologen eine überdurchschnittliche Lungenkapazität bescheinigt. Wen wundert’s? Allerdings konnte bei einem Spezialtest bereits ein Problem mit meiner Atemmuskulatur festgestellt werden. Die Prognose Fokale Dystonie wird durch diesen Befund weiterhin gestützt. Die Krankheit betrifft, von gewissen Gehirnbereichen ausgehend, die Muskulatur. Bei mir eben Atemmuskulatur, Kiefermuskulatur und die Muskulatur rund um den Kehlkopf. Also die Bereiche, die für das Didgeridoo-Spielen wichtig sind und feinnmotorisch beansprucht werden. Die Arzttermine der nächsten Wochen werden hoffentlich noch mehr Klarheit mit sich bringen. Es liegen mehrere Röntgentermine, Untersuchungen bei verschiedenen Neurologen und eine Aufnahme in die Medizinische Forschungsabteilung der Musikhochschule Hannover an. Dort werde ich von einem Spezialisten für Fokale Dystonie untersucht und behandelt. Es stehen auch 20 Therapie-Besuche beim Logopäden an. Ich habe das große Glück diese Termine bei meinem Musikerkollegen, dem Kehlkopfgesang-Spezialisten Kolja Simon wahrnehmen zu können.